Die schwerste Zeit meines Lebens

Es ist Dezember und uns ist aufgefallen das wir in der zweiten Jahreshälfte noch gar nicht meine Eltern besucht hatten. Wie auch? Der Job frisst einen auf und allzu schnell geraten liebe Menschen in den Hintergrund. Die Eltern, die Oma, die Geschwister und sonstige Freunde die man schlicht über Jahre der Abstinenz vernachlässigt oder sogar fast vergessen hat. Nun der Termin stand, am 10 Dezember geht’s nach Zerf zu den Eltern. Wäre da nur nicht der Schmerz und das Kribbeln, welches langsam das Bein hinunter zieht. Komisch fühlt es sich an wird aber herunter gespielt. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Eingebleut seit Kindertagen. Die erste Nacht bei den Eltern. Es kribbelt und zuckt jetzt sogar. Ich kann kaum schlafen. Am Morgen beim erwachen kann ich fast gar nicht laufen und meine Frau fragt ob alles ok ist. Ja ja antworte ich in freudiger Erwartung der ersten Zigarette am Morgen. Das geht schon. Sie schaut mich skeptisch an, sagt aber nichts weiter.

Das Wochenende war toll und wie immer viel zu schnell vorbei. Auf der Heimfahrt ertappt man sich gegenseitig bei Phrasen wie „wir müssen wieder öfter zu der Familie fahren“ etc. Was aber ganz schnell wieder in den Hintergrund gerät.

Nun ja machen wir doch weiter wie immer. Arbeiten immer weiter arbeiten. Auf Dauer kann ich nur noch humpeln und die ersten fragen schon was denn los sei? Alles ok nur ein eingeklemmter Nerv. Dabei ist mir tief im inneren schon jetzt irgendwie klar das irgendwas nicht stimmt.

In der darauffolgenden Woche kribbelt es dann im rechten Arm. Ich kann die Maus gar nicht mehr halten. Egal, ich habe ja noch eine linke Hand. Also schwupp die Maus auf links gewechselt. Hat ja keiner gesehen.

Am 31.12.2016 fahre ich morgens noch meine Frau zur Arbeit, gehe einkaufen und koche für den Silvesterabend.

Ich hole meine Frau wieder von der Arbeit ab, alles kein Problem. Wir essen lecker und schauen fern, Winnetou Filme. Wir sprechen noch über Kroatien und das wir da mal hinmüssen. In der Werbepause eine Zigarette, also hoch in der obersten Stock (da ist unsere Terrasse). Natürlich auf einem Bein, das rechte funktioniert mal wieder nicht. Blöder Nerv schon wieder.

Also hoch auf einem Bein in Erwartung einer leckeren Zigarette, mhhhhh die ist echt fein. Runter auch wieder auf einem Bein, zum Glück ohne Sturz.

Jetzt noch etwas fern sehen, den Jahreswechsel abwarten und dann ab ins Bett, es war ein langer Tag.

Da war mir noch nicht klar, wie lange der Tag tatsächlich noch wird.

Zurück auf der Couch lief dann auch der Film weiter.

Ab diesem Zeitpunkt wird nichts mehr so sein wie es mal war, absolut nichts mehr.

Ein paar Minuten später fragt meine Frau mich ob alles ok sei, ich glaube ich hatte noch nie im Leben ein solch schwierige Frage zu beantworten.

Einfach weil ich zwar wusste was ich antworten soll, es aber nicht heraus kam, es war einzig und allein „mhmmm“ über die Lippen.

Ich wusste gar nicht was los war und es stieg eine beklemmende Angst in mir hoch. Sie fragte mich nochmal ob alles ok sei. Ich meinte „Klar, nur das Bein fühlt sich komisch an, Doofer Nerv“

Ich begann zu grübeln, was jetzt wieder los sei, ich konnte ja ganz normal sprechen.

Wenig später hatte ich einen wenig belustigenden Blick drauf wusste meine Frau zu berichten. Offensichtlich sah ich das anders, denn ich fing lauthals an zu lachen.

Ich sah die große Besorgnis meiner Frau, die Tränen die ihr die Backe runter liefen, aber dennoch lachte ich weiter.

Nicht so ein normales Lachen, sondern eines der dreckigen Sorte, so dieses abfällige welches man aus Gruselfilmen kennt.

Aber in diesem Moment verspürte ich große Angst und es tat mir so unendlich leid das ich nicht aufhören konnte zu lachen, und dies vor allem nicht meiner Frau sagen konnte.

Denn in Ihrem Gesicht spiegelte sich auch meine Panik wieder.

Sie zögerte dann auch nicht lange und rief die Notrufnummer an. Das einzige was mir dazu einfiel:

„Darf ich wenigstens noch meine Socken anziehen, wenn ich schon mitten in der Nacht nochmal raus muss?“

Und dann klingelte es schon, die Sanitäter waren da. Kurz alles gecheckt und ab in den Rollstuhl. Als wir auf den Aufzug warteten, es war genau Mitternacht, noch ein nett gemeintes „Frohes neues Jahr Herr Tapprich“ Aber was soll daran froh sein?

Unten angekommen wurde ich auf die Liege gepackt und angeschnallt, los ging die wilde fahrt über den Innenhof was gar nicht so einfach war, da ja alle Silvester am feiern waren und Böller in die Luft jagten.

Ein Mann auf eine liege, gefahren von 2 Sanitätern ist da nicht soooooo wichtig.

Am Krankenwagen angekommen wurde ich sogleich eingepackt, es könnte dann eigentlich los gehen.

Pustekuchen.

Blutdruck bei 240, losfahren unmöglich. Also erst den Notarzt herbeirufen, der dann Blutdrucksenker gespritzt hat.ca 4-5 mal, dann war der Blutdruck knapp unter 200.

Und los ging es. Der Vorteil einer Blaulichtfahrt ist, das man richtig voran kommt ohne groß irgendwo anzuhalten. Nicht mal auf Bodenwellen, die einen fast von der Liege schmissen.

Ich hatte da leider nicht mehr so die Erinnerung dran, auch nicht wo es hin ging. Das einzige was mich interessierte war, dass ich nicht mehr wusste wo meine Frau ist.

Leider konnte ich auch nicht fragen, ich konnte mal wieder nur ein lustiges „Mhmmmm“ rausdrücken.

Zwischendurch hatte ich dann wieder ein paar Minuten Sprache und ich fragte wo meine Frau denn nun sei. Der Sanitäter teilte mir mit das sie auf dem Beifahrersitz sei. und dann sah ich sie dann auch.

Gott sei Dank.

Angekommen im Spital, ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal welches, begannen auch umgehend die Untersuchungen. Nach allgemeiner Untersuchung und MRI war die Diagnose klar: Schlaganfall

In der folge wurde ich dann verschlaucht und verkabelt und nachdem ich einer Aspirin Cardio Spritze zugesagt hatte, ging es auf die Intensivstation.

Später erzählte mir meine Frau das sie sie gefragt haben ob das mit dem Aspirin ok sei und das es gewisse Risiken gäbe sollte es eine Hirnblutung sein.

Gut zu Wissen..

Sie meinte dann nur ob ich wieder nicht sprechen kann, da ich ja von Zeit zu Zeit sprachlos war.

Ging aber ganz gut. Dann aber wieder mal nicht.

Auf der Intensivstation angekommen kam mir als erstes Rudi Carell entgegen.

Ihr wollt wissen wie es weiter geht? Hier geht’s zu Teil 2.